Im Rahmen des Seminars “Klassische Mechanik” sind die idealen hydrodynamischen Gleichungen immer wieder vorgekommen. Sie dienen als Ausgangspunkt für viele Überlegungen, weil sie die Erhaltung von Masse, Impuls und Energie repräsentieren. Sie lauten:
∂t∂ρ+∇⋅(ρv)=0,(1)
∂t∂v+(v⋅∇)v=−ρ1∇p+g,(2)
∂t∂(2ρv2+ρϵ)+∇⋅[ρv(2v2+h)]=0.(3)
Hierbei beschreiben ρ die Dichte, v die Geschwindigkeit und p den Druck des Fluides, während ϵ die innere Energie pro Masseneinheit und h die Enthalpie pro Masseneinheit darstellen. Für die weiteren Überlegungen sind nur die ersten beiden Gleichungen von Bedeutung, d.h. die Euler-Gleichung und die Kontinuitätsgleichung. Unser Ziel ist die Beantwortung der folgenden Frage: Was passiert, wenn wir die idealen hydrodynamischen Gleichungen leicht stören?
Schallwellen
Unter einer Schallwelle versteht man eine Schwingungsbewegung mit kleinen Amplituden in einer kompressiblen Flüssigkeit oder einem kompressiblen Gas. Die Periodizität dieser Schwingungsbewegung führt zu einer an jedem Ort abwechselnden Verdichtung und Verdünnung des Fluides und ist somit mit kleinen, wegen der geringen Amplitude der Schwingung, Druck- und Dichteschwankungen verknüpft. Diese Kompressionen und Expansionen in dem Fluid erfolgen schnell genug, dass sie als reversible adiabatische Zustandsänderungen betrachtet werden können. Nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik bleibt die Entropie dabei konstant. Zustandsänderungen oder Strömungen mit konstanter Entropie heißen isentrop und werden durch die Poisson-Gleichung beschrieben:
pVγ=konst.bzw.pρ−γ=konst.,(4)
wobei γ den Adiabatenexponenten bezeichnet.
Schallausbreitung
Durch Störung der hydrodynamischen Gleichungen wollen wir eine Gleichung ableiten, die die Schallausbreitung in einem Fluid beschreibt. Dafür verwenden wir zwei verschiedene Ansätze:
Im ersten Ansatz stören wir bekannte Lösungen der hydrodynamischen Gleichungen im Ruhesystem dieser Lösungen,
während im zweiten die Betrachtung von Schallwellen als Schwingungsbewegung verwendet wird, indem die konstanten Größen der Gleichgewichtslage leicht gestört werden. Hier wird die Geschwindigkeit als der Gradient eines Geschwindigkeitspotentials dargestellt.
Beide Ansätze beruhen auf der obigen adiabatischen Näherung.
Erste Untersuchung
Für das erste Szenario machen wir ein paar Annahmen und Näherungen, auf die wir im Folgenden genauer eingehen wollen.
Ohne Einfluss äußerer Kräfte nimmt die Euler-Gleichung folgende Form an:
∂t∂v+(v⋅∇)v=−ρ1∇p,(5)
wobei die Kontinuitätsgleichung Gl. 1 unverändert bleibt. Wir nehmen an, dass ein Satz von Lösungen ρ0,v0 und p0 bereits gefunden ist und darüber hinaus ausreichend glatt und langsam veränderlich ist, sodass räumliche und zeitliche Ableitungen vernachlässigt werden können.
Mithilfe einer Galilei-Transformation wechseln wir in das Ruhesystem der bekannten Lösungen, d.h. v0=0. Wir wollen nun die bekannte Lösung mit Hilfe von kleinen Schwankungen δρ,δv,δp stören. Wir interessieren uns nur für die Schwankungsterme erster Ordnung. Nach den obigen Überlegungen kann der Druck als Funktion p(ρ) der Dichte ρ geschrieben werden. Damit erhalten wir
p(ρ0+δρ)=p(ρ0)+(∂ρ∂p)sδρ(6)
bzw. nach Umformung
δp:=p(ρ0+δρ)−p(ρ0)=(∂ρ∂p)sδρ.(7)
Der Index s bezeichnet hierbei die Berechnung der Ableitung bei konstanter Entropie. Wir definieren zusätzlich die Größe cs2, die sich später als nützlich erweisen wird:
cs2:=(∂ρ∂p)s.(8)
Nun sind wir in der Lage, die gestörten Größen in Gl. 1 und Gl. 5 einzusetzen und sie mit Hilfe der obigen Annahmen und Überlegungen zu vereinfachen.
Mithilfe der beiden Gleichungen Gl. 7 und Gl. 8 lässt sich Gleichung Gl. 13 umformen:
ρ0∂t∂δv=−cs2∇δρ.(14)
Die zeitliche Ableitung der linearisierten Kontinuitätsgleichung Gl. 10 und die Divergenz der linearisierten Euler-Gleichung Gl. 8 berechnen sich zu:
∂t2∂2δρ+ρ0∂t∂∇⋅δv=0,(15)
ρ0∂t∂∇⋅δv=−cs2Δδρ(16)
Ein Vergleich dieser beiden Gleichungen ergibt:
∂t2∂2δρ=cs2Δδρ(17)
Alternativ kann man mithilfe von Gl. 7 in Gleichung Gl. 10δρ durch δp ersetzen, die zeitliche Ableitung berechnen und diese Beziehung mit der Divergenz von Gleichung Gl. 13 vergleichen. Man erhält:
∂t2∂2δp=cs2Δδp.(18)
Zweite Untersuchung
Eine andere Möglichkeit, die idealen hydrodynamischen Gleichungen zu stören, basiert auf der Theorie der Potentialströmungen. Hierbei wird ein Geschwindigkeitspotentialϕ eingeführt, das zur Beschreibung der Geschwindigkeit dienen soll; Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Strömung wirbelfrei ist. Außerdem muss die Strömung reibungsfrei sein, was für ideale1 Fluide der Fall ist. Somit gilt:
v=∇ϕ.(19)
Schallwellen wurden als Schwingungsbewegungen beschrieben, mit denen Druck- und Dichteschwankungen verknüpft sind. Die Störungen von Druck δp und Dichte δρ können also als Auslenkungen um eine konstante “Gleichgewichtslage” betrachtet werden:
p=p0+δpundρ=ρ0+δρ,(20)
wobei p0 der konstante Druck und ρ0 die konstante Dichte im Gleichgewicht sind. Verglichen mit den konstanten Größen sind die Auslenkungen ausreichend klein.
Wie im vorigen Abschnitt untersuchen wir nun die Störung der Gleichungen Gl. 1 und Gl. 2. Terme zweiter Ordnung in den Störungen werden wiederum vernachlässigt, ebenso der Term (v⋅∇)v in der Euler-Gleichung, da die Geschwindigkeit v der Flüssigkeitsteilchen als gering gegenüber der Ausbreitungsgeschwindigkeit angenommen wird. In der Gleichgewichtslage werden die hydrodynamische Gleichungen per Annahme erfüllt.
Die linearisierte Kontinuitätsgleichung lautet nun:
∂t∂δρ+ρ0∇⋅v=0(21)
Weil unsere Überlegungen zu Isentropie auch weiterhin gelten sollen, und daher insbesondere auch die Gleichungen Gl. 7 und Gl. 8 folgt weiter:
∂t∂δp+ρ0cs2∇⋅v=0.(22)
Die linearisierte Eulersche Gleichung ergibt sich zu:
∂t∂v=−ρ01∇δp.(23)
Integration der Gleichung Gl. 23 und Verwendung der Beziehung Gl. 19 liefert:
Das Ergebnis unserer Überlegungen sind die Gleichungen Gl. 17, Gl. 18 und Gl. 25. Diese drei Gleichungen besitzen die gleiche, für uns bekannte Form der Wellen- oder d’Alembert-Gleichung und sind äquivalent zueinander. Beispielsweise liefert die zeitliche Ableitung von Gl. 25 die Beziehung Gl. 18. Der Parameter cs muss also die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle beschreiben, d.h. die Schallgeschwindigkeit:
cs=(∂ρ∂p)s.(26)
Eindimensionale Schallausbreitung
In diesem Abschnitt wollen wir die Schallausbreitung beispielhaft in einer Dimension untersuchen.
∂t2∂2ϕ=cs2∂x2∂2ϕ(27)
Eine mögliche Lösung dieser (eindimensionalen) Differentialgleichung basiert auf dem sogenannten d’Alembert-Ansatz:
ϕ(x,t)=F1(x+cst)+F2(x−cst),(28)
wobei F1,F2 beliebige reelle Funktionen sind. Findet die Ausbreitung entlang der x-Achse statt, ist die Bewegung innerhalb der yz-Ebene homogen. Eine solche Welle heißt ebene Welle. In diesem Fall gilt v=(∂ϕ/∂x,0,0). Folglich bewegen sich die Flüssigkeitsteilchen entlang der Ausbreitungsrichtung der Welle, man spricht von einer longitudinalen Welle.
Schallgeschwindigkeit
Um die Schallgeschwindigkeit für ideale Gase zu berechnen, müssen wir die isentrope Ableitung des Drucks nach der Dichte ermitteln. Dichte und Druck zweier Zustände hängen über die Poisson-Gleichung gemäß
ργp=ρ1γp1(29)
zusammen. Das Verhältnis p/ρ ist durch die Zustandsgleichung idealer Gase gegeben:
ρp=MmolRT,(30)
wobei R die ideale Gaskonstante, T die Temperatur und Mmol die molare Masse des Gases bezeichnen. Die isotherme Ableitung dieser Beziehung nach der Dichte ergibt sich zu:
(∂ρ∂p)T=MmolRT(31)
Unter Verwendung der Beziehung Gl. 29 lässt sich auch die isentrope Ableitung des Drucks nach der Dichte berechnen:
Mithilfe der Gleichungen Gl. 30 und Gl. 8 erhält man:
cs=γ⋅MmolRT(33)
Aus dem Vergleich der beiden Ausdrücke Gl. 31 und Gl. 33 folgt, dass die adiabatische Schallgeschwindigkeit das Produkt des Adiabatenkoeffizienten und der isothermen Ableitung des Drucks nach der Dichte ist. γ hängt normalerweise schwach von der Temperatur ab, daher ist die Schallgeschwindigkeit in einem idealen Gas proportional zu T.
Die Schallausbreitung in der Luft ist der bekannteste Fall aus dem Alltag. Die molare Masse der Luft beträgt Mmol=0,02896J/mol und der Adiabatenkoeffizient bei einer Temperatur von etwa 20° und normalem Druck ist: γ=1,402. Die ideale Gaskonstante ist: R=8,3145J/mol/K. Man kann also die Schallgeschwindigkeit in Luft, betrachtet als ein ideales Gasgemisch, mit
cs, Luft≈20,063smKT(34)
berechnen. Die Temperatur wird in Kelvin angegeben. Umwandlung in Grad Celsius liefert:
cs, Luft≈331,5sm1+273,15°ϑ(35)
Für ϑ=20° ergibt die Berechnung eine Schallgeschwindigkeit von 343,4m/s.
Daneben ist auch eine experimentelle Ermittlung der Schallgeschwindigkeit möglich. Es gibt sowohl direkte, als auch indirekte Methoden. Eine direkte Messung der Schallgeschwindigkeit basiert auf dem Kundtschen Rohr, die üblicherweise im Rahmen des Anfängerpraktikums durchgeführt wird. Eine indirekte Messung bestünde ferner in einer Bestimmung des Adiabatenkoeffizienten nach der Methode von Rüchardt. Diese beiden Vorschläge sollen lediglich einen groben Überblick geben, genauere Messungen sind sehr viel komplizierter.
Abschließende Überlegungen
In diesem Artikel wurde gezeigt, wie leichte Störungen in den idealen hydrodynamischen Gleichungen auf die Wellengleichung führen, die die Schallausbreitung in Fluiden beschreibt. Mithilfe eines D’Alembert-Ansatzes konnte die eindimensionale Wellengleichung gelöst werden. Als zentrales Ergebnis wurde dabei gefunden, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Schall in idealen Gasen proportional zu T ist.
Zum Schluss möchte ich an dieser Stelle eine Inkonsistenz in der Herleitung betonen. Wie in der Fußnote bereits angedeutet, verlangt die Schallausbreitung kompressible Fluide, sodass Dichteschwankungen überhaupt existieren können. Dies bedeutet aber, dass die Einführung des Geschwindigkeitspotentials in Abschnitt 4 und die Annahme der Barotropie in Abschnitt 3 strenggenommen unzulässig ist. In der obigen Untersuchung habe ich diese Inkonsistenz mit der sehr niedrigen Druckamplitude von Schall begründet, die einige N/m2 erreicht. Von der Gültigkeit dieses Arguments bin ich aber nicht völlig überzeugt. Eine Betrachtung von kompressiblen Fluiden wäre mit den idealen hydrodynamischen Gleichungen nicht sinnvoll und ist außerhalb des Umfangs dieser Untersuchung.
Danksagung
Ich möchte mich herzlich bei Prof. Dr. Matthias Bartelmann für seine Anregungen und Korrekturen bezüglich Inhalt, Sprache und Grammatik bedanken.
Für diese Ausarbeitung habe ich Material aus [1], [2] und [3] verwendet.